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Stellungnahme der Fraktion die Liste Amberg zur geplanten Ten Brinke Bebauung auf dem Bürgerspital-Areal - mit Bezug zu Interviewaussagen des CSU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Matthias Schöberl in der Amberger Zeitung vom 30.1.2021

Stellungnahme

Die Liste Amberg sieht in der geplanten Bebauung des Bürgerspital-Areals durch den Investor Ten Brinke eine klare Fehlentwicklung für die Stadt Amberg.

Zum geplanten Gebäude

Ein zentraler Kritikpunkt ist hierbei die Architektur und v.a. die Größe des Baus selbst.
Dieser ist aus Sicht der Liste Amberg viel zu massiv und voluminös für den gegebenen Standort und das umliegende Altstadtgefüge. Schon die Grundfläche des im Erdgeschoß hermetisch geschlossenen Gebäudes geht an die maximalen Grenzen des auf dem Gelände Machbaren. Um die Dimensionen zu veranschaulichen: Entlang des Spitalgrabens erstreckt sich auf einer Länge von ca. 65 Metern eine zwischen ca. 13 und 15 Meter hohe Gebäudefront. Im Erdgeschoß ist diese aufgrund des dahinter liegenden Supermarktes bis auf eine Höhe von über fünf Metern nahezu fensterlos. Gegenüber der Eingangsseite des Ringtheaters entsteht in nur ca. 7 Meter Abstand eine über 12 Meter hohe Hauswand. Doppelt so hoch wie die Fassade des Ringtheaters selbst.

Hinzu kommt die von vielen Kritikern als eher „einfallsloser Betonklotz“ bezeichnete Architektur. Nicht umsonst musste für dieses Vorhaben die für andere Objekte geltende „Baugestaltungssatzung …  zum Schutz des historischen Stadtbildes von Amberg“ außer Kraft gesetzt werden.

Diese Faktoren mit einem „individuellen, ästhetischen Urteil“, wie von Herrn Schöberl bezeichnet, abzutun wird der Tragweite des Projekts nicht ansatzweise gerecht.

Auch bezüglich der weiteren Konkretisierung der Planungen im Bauleitverfahren sollte allen klar sein: Abgesehen von ein paar Änderungen, was Dach und Fassadengestaltung, z.B. Material, Begrünung o.ä. angeht, wird bzw. kann sich am Gebäude nichts Wesentliches mehr ändern. Die Kubatur, also das Gebäudevolumen, ist gesetzt. Herrn Schöberls Aussage „Eine Fassade beeinflusst nicht das Gesamtvolumen, aber sie gibt einem Gebäude ein Gesicht. Und dieses Gesicht sehen wir und nicht das Maß des umbauten Raumes.“ steht dabei für ein im wahrsten Sinne des Wortes sehr „oberflächliches“ Verständnis von Architektur und deren Wirkung.

Ein Denkanstoß am Rande: Wieso gibt es außer einer einzigen, völlig realitätsfernen Illustration mit großflächig wirkendem Vorplatz eigentlich keine weiteren realistischen Visualisierungen des Gebäudes einschließlich seiner Umgebung? Wie es bei Projekten dieser Dimension und in der Immobilienvermarktung allgemein heute absoluter Standard ist? Exemplarisch wäre hier z.B. die aufschlussreiche Visualisierung des gegenüberliegenden Drei-Höfe-Projektes samt fotorealistischer Animation mit „Durch- und Umflug“ ums Gebäude zu erwähnen. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

 

Zur zukünftigen Nutzung des Bürgerspital-Areals

Die mit der Bebauung weiterhin verfolgten Ziele sind maximale Wohnbebauung, großflächiger Nahversorger, weitere Einzelhandels- und Dienstleistungsflächen und möglichst viele Tiefgaragenstellplätze. Diese Idealvorstellungen scheinen spätestens nach den Entwicklungen der letzten Jahre ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein:

Besteht im Zuge des Wandels des Einkaufsverhaltens hin zum weiterhin wachsenden Onlinehandel tatsächlich dringender Bedarf an weiteren Einzelhandelsflächen? Die Zahl der Lehrstände, sogar in 1-A Lagen sprechen da aus unserer Sicht klar eine andere Sprache. Verschärft wird die Situation selbstredend durch die Auswirkungen der Coronapandemie.

Doch wie steht es um die geplante Wohnbebauung? Unsere Altstadt erlebte in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Einwohnerschwund. Diese „Flucht“ aus der Stadt ist sicherlich auch auf geänderte Anforderungen an Wohnraumgröße und -ausstattung zurückzuführen. Ein Blick z.B. in die Ziegelgasse jedoch zeigt: Potentielle Flächen für Wohnungen stehen in ungenutzten, teils sanierungsbedürftigen Gebäuden und früheren Gewerbeflächen zur Verfügung. Die Sanierung der ehemaligen Büchsenmacherei in der Schiffgasse, das Gebäude Paradeplatz 1 oder aktuell das Projekt „Notstainhaus“ sind einige Beispiele von vielen: Die bestehenden Altstadtgebäude bieten ausreichend Raum, um mit Engagement und Sensibilität für den Bestand attraktive und moderne Wohnflächen zu entwickeln.

Diese Erneuerung und Investitionen lassen sich aus unserer Sicht durch eine zukunftsorientierte Stadtplanung beschleunigen. Dazu zählt z.B. die Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität durch mehr Grün, weniger Verkehr, mehr Raum zum Verweilen und Plätze mit Möglichkeiten des Zusammentreffens von Stadtbewohnern und Besuchern unserer Stadt…

Auch die Folgen der Klimaveränderung und zunehmende Hitzeperioden geben hierbei dringenden Handlungsanlass: So appelliert sogar das unter Bundesminister Horst Seehofer angesiedelte Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung für deutlich mehr Grünflächen in der Stadtentwicklung und legt entsprechende Förderprogramme auf. Nur so lassen sich die weiterhin zunehmenden und gerade für ältere Mitmenschen gesundheitsbedrohlichen Hitzespitzen in den Innenstädten abmildern.
Selbst Herr Schöberl möchte „über die Aufenthaltsqualität von Kindern [in der Innenstadt] nachdenken“, fordert in seiner Einlassung „Innen- und Stadtgärten“ und ist der Meinung, „Grüne Oasen können und sollten wir überall in der Innenstadt schaffen“.
Mit Blick auf die Baudichte unserer historischen Altstadt wird jedoch klar, Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier weit auseinander. Mit dem Bürgerspital-Areal hätte die Stadt die notwendige Entwicklung mit einer eigenen Fläche selbst in der Hand.

Bleibt noch die Frage nach dem Nahversorger: Die aktuelle Planung geht im Erdgeschoß neben Einzelhandelsflächen weiterhin von einem ca. 1200 m2 großen Supermarkt aus. Diese Flächen sind im Vergleich zur ursprünglichen Planung, als man noch von der zweiten Tiefgaragenebene und deutlich mehr Stellplätze ausging, erstaunlicherweise gleich geblieben. Damals wurde der notwenige Bedarf der zusätzlichen, „halböffentlichen“ Stellplätze auch mit der nötigen „Auslastung“ des Supermarktes begründet. Obwohl diese Tiefgaragenplätze weggefallen sind, hält man an der Größe der Verkaufsflächen fest? Zum Vergleich: Die bekannten Supermarktketten suchen für ihre „parkplatzlosen City-Varianten“ üblicherweise Einheiten mit 400 - 800 m2 Ladenfläche.

 

Unsere Vorstellungen einer zeitgemäßen und nachhaltigen Nutzung des Bürgerspital-Areals

Abgesehen davon, dass nur wenige Meter weiter am Altstadtrand mit dem Netto-Markt bereits ein fußläufig erreichbarer Nahversorger für die östliche Altstadt existiert: Neben viel Grün und einer parkähnlichen Ausrichtung des Areals, wären auf dem Bürgerspitalgelände natürlich auch ein Bereich mit regionalen Lebensmittelständen oder einer kleinen Markthalle, ähnlich dem Viktualienmarkt in München oder Ingolstadt denkbar. Erfolgreiche Beispiele hierfür gibt es viele. Dabei ließen sich auch Teile der archäologischen Funde unserer Stadtgeschichte rekonstruieren und dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ähnliches gilt für das angrenzende, derzeit im „Dornröschenschlaf“ befindliche Ringtheater, sowie die profanierte Spitalkirche. Für beide Gebäude ergäben sich auch bauliche Integrations- und Erweiterungsmöglichkeiten um der allseits angestrebten Nutzung als Kultur- bzw. Kreativstätte gerecht zu werden.

An zukunftsweisenden und attraktiven Alternativideen für die Entwicklung des Bürgerspitalgeländes mangelt es sicherlich nicht. Das zeigen nicht zuletzt die zahlreichen und vielfältigen Leserbriefe zum Thema. Das haben wir in der Liste Amberg auch mit der überwältigenden Anzahl an positiven Rückmeldungen zu unserer Einschätzung und Haltung erfahren dürfen. Wie am 3.1.2021 in der Amberger Zeitung berichtet, gehen auch Expertenmeinungen, z.B. die der Stadtplanerin Melanie Hierl in die selbe Richtung.

Herr Schöberl hat recht, wenn er sagt, dass das geplante Projekt weiterhin eine Mehrheit im Stadtrat, konkret durch die Fraktionen CSU, ÖDP und SPD erfährt. Doch erinnern wir uns: Auch der Abriss wesentlicher Teile und Fassaden des Forumgebäudes, samt großflächigem Ankermieterkonzept, galten von der Mehrheit des Stadtrates über Jahre hinweg als die anzustrebende, beste Lösung für den Forumsleerstand. Die jetzt im Bau befindlichen, und zu Recht allseits bejubelten Drei Höfe, haben auch diese Vorstellungen überholt.

Als Liste Amberg sehen wir es daher als unsere Verantwortung und Pflicht auf diese sich in unseren Augen abzeichnende Fehlentwicklung in unserer Altstadt hinzuweisen und diese abzuwenden. Dies selbstverständlich im Rahmen des demokratischen Handlungsspielraumes, wie im zuletzt erneut eingeleiteten Bauleitverfahren.

Für die Fraktion Die Liste Amberg,

Martin Frey,
Fraktionssprecher
DIE LISTE AMBERG

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